Helga Ass war die Chefin am Hammer
Historisches Exponat erinnert am Rathaus dauerhaft an die Messerschmiede Leegebruch
Viele waren Ende Juni dabei, um die Präsentation des Alten Schmiedehammers vor der gläsernen Front der neuen Bibliothek mitzuerleben. Von den einfallsreichen Gründern der Messerschmiede war er 1947 selbst zusammengebaut worden – als Fallhammer vom Typ Schwanzhammer, dessen Bauweise für Wasserantrieb aus dem späten Mittelalter stammt. Woher die in Leegebruch verbauten Teile und Pläne kamen, ist nicht im einzelnen belegt. Doch modernisiert und ausgestattet mit Transmissionsriemen für elektrischen Antrieb versah er seinen Dienst jahrzehntelang. Wohl total unmodern und uneffektiv, blieb er vom Abtransport nach Schließung der Messerschmiede verschont und wurde einfach stehen gelassen. Zum Glück bewahrte die seit 1992 an diesem Ort ansässige Firma artec AIS ihn auf.
Als historisches Exponat hält er nun die Erinnerung an die Messerschmiede Leegebruch wach, ist quasi im Ruhestand. Ebenso wie Helga Ass. Von 1969 bis 1990 hat die zierliche Leegebrucherin acht Stunden täglich dafür gesorgt, dass Messerklingen, Messer für Moulinette und Unterlegscheiben gerichtet, also platt geklopft wurden. „Das war wie Akkordarbeit“, sagt sie und zeigt vor Ort, wie sie jedes einzelne der kleinen Teile auf den Amboss gelegt hat, ehe dann der schwere Hammerkopf niedersauste. Alle paar Sekunden. Ganz schön viel Konzentration und Geschick waren dabei erforderlich. Wie zum Beweis zeigt sie stolz ihre Hände vor: „Bei mir sind noch alle Finger dran!“ Das war wohl nicht selbstverständlich bei einem solchen Job, der sich im übrigen auch nur mit Ohrenschützern aushalten ließ.
Das unablässige Pochen war so laut, dass es im ganzen Ort schon zur Geräuschkulisse gehörte. Für die Arbeit unter solch erschwerten Bedingungen bekam Helga Ass alle zwei Tage einen halben Liter Milch, ebenso wie Schlosser und Schweißer. Und die waren denn auch manches Mal gefragt, wenn das pochen verstummte. In der Regel reparierte Helga Ass ihr liebevoll Monstrum genanntes Arbeitsgerät zwar selbst, doch wenn das nicht klappte, holte sie Hilfe. „Oh Gott, der Pochhammer schon wieder“, stöhnten die Männer. Und Wolfgang Bluhm erinnert sich an die oft komplizierte Fehlerbehebung. „Wir haben nach Helgas Anweisungen repariert, sie wusste ja meist, woran es liegt.“ Insgesamt eine sehr rustikale Angelegenheit, nicken beide und unterhalten sich noch ein Weilchen über die Zeit der Messerschmiede, an die nun am Rathaus dauerhaft erinnert wird.
Ulrike Unger
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