Nachruf auf das gute alte Telefonhäuschen
Zum Jahresbeginn stellte die Deutsche Telekom den Betrieb von Telefonzellen und ‑säulen bundesweit ein und der Abbau begann
Einst war sie selbstverständlich und aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Was könnte sie alles berichten über Verabredungen und Liebesschwüre, über Krankmeldungen und oft lebensrettende Notrufe. Sogar Schutz vor Regen und Kälte bot sie, die Telefonzelle. Doch wer sie nutzen wollte, hatte nicht immer Glück. Oft war etwas kaputt, oft fehlten ausgerechnet die gesuchten Seiten in den eh schon ziemlich zerfledderten Telefonbüchern, meist roch es unbeschreiblich, und manchmal hatte man ärgerlicherweise die nötigen Münzen grad nicht parat. 20 Pfennig kostete ein Ortsgespräch, bei Ferngesprächen musste je nach Dauer immer wieder nachgeworfen werden. Doch nichts ging, wenn der Einwurfschlitz verstopft oder gar der Hörer geklaut war. Tja, so war das mit dem inzwischen verschwundenen öffentlichen Telefonhäuschen mit Münzfernsprecher. Die älteren Leserinnen und Leser kennen es noch, haben eigene Erfahrungen gemacht mit dem Vorfahren des heute allgegenwärtigen Handys.
Als es in privaten Haushalten noch sehr wenig Telefonanschlüsse gab, blieb den Bürgern nur der Weg zur Post oder sie nutzten eines der Telefonhäuschen. Vor denen reihten sie sich in mehr oder weniger lange Schlangen ein und warteten geduldig, bis die Tür aufging. Wenn drinnen aber jemand zu lange quatschte, wurde schon mal an die Scheibe geklopft und auf das Schild „Fasse dich kurz!“ hingewiesen. Einige denken noch zurück an Probleme mit Ferngesprächen. „Da tagsüber oft keine Verbindung zustande kam, sind wir nachts zur Zelle gegangen, um zu telefonieren“, erzählen sie und an ein besonders schönes Erlebnis zum Thema Ferngespräche erinnert sich die Leegebrucherin Gertrud Balkon. Als sie in den 80er Jahren überraschend erfuhr, dass sie zu ihrer Schwester nach Mainz reisen durfte, wollte sie ihr dies natürlich sofort mitteilen. In Leegebruch ging’s nicht, also fuhr sie mit ihrem Mann fix nach Ostberlin, um von dort aus zu telefonieren.
In Leegebruch gab es, soweit bekannt, drei Telefonzellen. Eine stand am Anfang der Straße der Jungen Pioniere. Wie Wolfgang Bluhm sich erinnert, habe er die „zusammen mit meinen Kumpels von der Messerschmiede“ in den 70er Jahren aufgebaut. Bei der Suche nach einem Foto dazu wurde Reinhard Kaiser in seinem Archiv fündig. Die Aufnahme ist aus den 1980er Jahren und zeigt Straßenbauarbeiten an der Ecke Eichenallee mit dem noch kantigen alten Telefonhäuschen im Hintergrund. Eine spätere Aufnahme aus den 90er Jahren zeigt dort eine neue Zelle. Der zweite Standort befand sich in der Gartensiedlung gegenüber der Gaststätte Lindengarten an der Hauptstraße. Die dritte und letzte, schon moderne Telefonzelle mit abgerundeten Ecken und Kanten fand 2001 ihren Platz an der Birkenallee nahe der „Birkenquelle“. Gleich vor dem Briefkasten, der noch heute dort hängt. Das Telefonhäuschen wurde im Zuge des Ausbaus der Birkenallee aufgestellt, wurde aber im Lauf der Zeit immer weniger benutzt, und irgendwann war es weg. Niemand weiß noch so genau, wann.
Öffentliche Münzfernsprecher sind seit Anfang 2023 nicht mehr in Betrieb und werden alle abgebaut. Der Wunsch nach Grundversorgung durch öffentliche Fernsprecher verschwand durch die gestiegene Zahl der Hausanschlüsse und vor allem Handys. So kam es zu einem kaum bemerkten leisen Abschied von einer Epoche, die 1881 in Berlin mit dem weltweit ersten hölzernen „Fernsprechkiosk“ am Potsdamer Platz begann. Jetzt, 142 Jahre später, ist Schluss. In einem Waldstück bei Michendorf lagert die Telekom die unzähligen Relikte aus analoger Zeit. Doch sehr viele der ausrangierten gelben und pink-grau-farbenen Zellen fanden inzwischen Kaufinteressenten und ein zweites Leben als Bücherschrank, Gartenhäuschen oder auch als Sauna. Telefonieren kann man darin aber immer noch, nur anders, mit dem eigenen Handy. „Fasse dich kurz!“ ist Geschichte.
Ulrike Unger
Hat jemand noch Fotos von den alten Telefonzellen in Leegebruch? Her damit. Für unser Geschichtsarchiv würden wir diese gerne digitalisieren und dokumentieren.
E‑Mail: geschichtsverein@leegebruch.info oder Telefon: (03304) 50 32 69
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