Leegebruchs Weg zur Selbstständigkeit, Teil 1: 1928 – Was war los vor 90 Jahren?
Teil 1: In der Chronik der ersten Dorfschule geblättert
In der vergilbten alten Schulchronik der Leegebrucher Dorfschule haben die Lehrer von 1906 bis 1934 festgehalten, was ihnen wichtig erschien. Rund 80 mit Tinte beschriebene Seiten geben Auskunft über Klassengröße, Ausflüge, Sport und Heimatkunde, über Schulfeiern, Feste und andere Veranstaltungen. Je nach persönlichem Interesse haben die jeweiligen Lehrer auch etwas zu politischen, geschichtlichen und wirtschaftlichen Themen vermerkt. Und was hat Lehrer Bernhard Kurzweg 1928 aufgeschrieben?
Kalt sei es gewesen, als 47 Schulkinder nach den Weihnachtsferien ihr Klassenzimmer betraten. Die Heizung funktionierte immer noch nicht richtig, war zwischendurch sogar komplett ausgefallen. Dabei hatte Schulrat Dr. Ziegler schon im alten Jahr nach Beschwerden des Lehrers Schule und Klassenzimmer besichtigt und „wollte für eine Abstellung eintreten“.
Doch schnell ging so etwas auch damals noch nicht. Zunächst setzte Bernhard Kurzweg häufiger Waldspaziergänge und Ausflüge an. Die Kinder besuchten in Berlin das Aquarium, fuhren Straßenbahn und freuten sich über die U‑Bahn-Fahrt zum Wittenbergplatz. Und im Planetarium lauschten sie einem Vortrag zum „Sternenhimmel der Heimat“. Zuhause in der Schule „war während der ganzen Wintermonate an kühleren Tagen stets eine ungenügende Temperatur im Klassenraum“, schrieb der Lehrer. Wiederholt mahnte er beim Landratsamt in Nauen die fälligen Reparaturen an, dann kam endlich im Juni „der Sachbearbeiter Herr Kreisoberinspektor Wotschke zu einer Schulvorstandssitzung im hiesigen Schulhause, an der auch ein Vertreter der Leegebrucher Siedler teilnahm.“ Danach notierte Bernhard Kurzweg die nun eingehend besprochene Instandsetzung der Schule
nach Bereitstellung der erforderlichen Mittel.
Ende Juni „waren Kinder der unteren Jahrgänge an Masern erkrankt“, im Juli „nahm die Schule an den Reichs-Jugendwettkämpfen in Vehlefanz teil“ und nach einer Wanderfahrt mit Dampfer nach Woltersdorf und zum Müggelsee waren Sommerferien. Unter dem 18. August heißt es dann: „Am 1. Schultag wurde der Verfassungstag gefeiert und des Geburtstages F. L. Jahns gedacht. Leitgedanke: Von der Paulskirche nach Weimar. Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern.“ Mehr zu diesem Tag, der während der Weimarer Republik von 1921 bis 1932 jeweils am 11. August begangen wurde, hat der Lehrer nicht vermerkt. Zwei Wochen später stand wieder ein Ausflug an. Diesmal ging es zusammen mit den Eltern per „Motorschiff von Oranienburg durch den Kremmer See und das Rhinluch nach Hakenberg“. Beim dortigen Denkmalwärter war Kaffeerast.
Herbstferien. Und ehe es wieder Winter wurde, kamen die von der Regierung bereitgestellten Gelder samt Beihilfe von 1.000 RM für die Instandsetzung des Schulgebäudes. Die Handwerker rückten an. Herd und Öfen wurden umgesetzt, Installations- und Malerarbeiten erledigt, das Dach repariert und der Kellerboden aufwendig abgedichtet. Darüber, dass die Herbstferien deswegen um neun Tage verlängert werden mussten, waren die Kinder gewiss nicht traurig. Es nahte der erste Höhepunkt des Jahre 1928, der 21. Oktober. Seit diesem Tag „erstrahlt im Orte das elektrische Licht, allerdings nur in der Hauptsiedlung.“ So steht es im oben abgebildeten Originaleintrag des Lehrers Bernhard Kurzweg. Völlig emotionslos notierte der Lehrer dann mit seinem letzten Eintrag (kleines Bild) vor Weihnachten das wichtigste Ereignis des Jahres: „Mit Wirkung vom 1. Dez. 1928 ab ist Leegebruch Landgemeinde.“
Ulrike Unger
(Reproduktionen: Sascha Funke)
Eine Schulchronik ist zwar nicht unbedingt ein objektives Zeitbild, aber die von unmittelbarem Erleben zeugenden Berichte tragen ganz wesentlich dazu bei, die Menschen in ihrer Zeit, in ihrem Denken und in ihrem Alltag besser zu verstehen. Der Wert solcher Quellen, die eine Bereicherung der Geschichtsschreibung darstellen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Übertragung des obigen Ausschnittes der Schulchronik:
„Die Dachreparatur wurde Dachdeckermeister
Erzgrüber, Oranienburg übertragen.
Im Keller wurde auf das alte Steinpfl aster
Kies aufgeschüttet und dann mit einer
starken Zementschicht mit Ceresitzusatz
abgedichtet. Die Arbeiten führte Maurer
Kühn, Velten aus.
Seit dem 21. Oktober 1928 erstrahlt
im Orte das elektrische Licht, allerdings
nur in der Hauptsiedlung.
Die Kleinsiedler an der Bärenklauer
Allee verlassen der Reihe nach Leegebruch, um
größere Wirtschaft en zu übernehmen. Ihre hiesigen
Stellen geben sie teils an Pächter, teils können
Sie sie verkaufen. So ziehen fort
Büchler (Baracke an Fr. Obermüller), Brandenburg,
Hebbe (verkauft an Lutze in Schwedt), Voß-Wesel
(verk. an Schütz).
Die Herbstferien mussten um 9 Tage verlängert werden,
da die Handwerker noch in der Klasse
tätig waren. Schulbeginn 24. Okt.“
Weiter geht der Text auf der rechten Seite:
„Am Reformationstage gemeins. Kirchgang
nach Oranienburg.
Weihnachtsferien: Schluß 21. Dez., Beginn 4. Jan.
Mit Wirkung vom 1. Dez. 1928 ab ist
Leegebruch Landgemeinde.“
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