Leegebruchs Weg zur Selbstständigkeit, Teil 2: Nach den Pferden kamen die Siedler
Teil 2: Das Remontedepot Bärenklau und seine Vorwerke 1919 aufgelöst
Ausgangspunkt ist die Umgebung der Dorfaue. Dort begann in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts die rasante Entwicklung zum Wohnort. „Leegebruch, früher Vorwerk
des Remontedepots Bärenklau, wird jetzt Siedlungszwecken nutzbar gemacht. In der Mitte des Ortes liegt ein schöner, von Eichen beschatteter Platz. An der einen Seite zieht sich ein Wassergraben entlang. Brücken führen über ihn hinweg zu den an ihm errichteten Häusern. Man wird an Worpswede erinnert.“ [Worpswede ist ein Künstlerdorf in Niedersachsen.] So offensichtlich beeindruckt schrieb es der Oranienburger Heimatforscher Max Rehberg 1923, als er das aufstrebende kleine Leegebruch bei einer Wanderung durchquert hatte.
Das erwähnte Remontedepot mit seinen Vorwerken, zu denen auch das unbewohnte Forstrevier Leegebruch gehörte, war 1832 vom königlichen Kriegsministerium errichtet worden. Remonte (französisch) nannte man ein Pferd, das als Nachwuchs für die Kavallerie vorgesehen war. Beim preußischen Militär des 19. Jahrhunderts wurden diese drei- bis vierjährigen Tiere als Ersatz für ausgediente Pferde der Armee in eigens für diesen Zweck eingerichteten Remontedepots untergebracht, herangezogen und ausgebildet. Hier wurden sie an ihre spätere militärische Umgebung gewöhnt, wie beispielsweise auch an den Lärm von Schüssen und Pauken. Die der einjährigen Schulung folgende Einsatzzeit der Pferde in der Armee dauerte im Schnitt zehn Jahre, ehe sie wieder durch junge ersetzt wurden.
Die Leegebrucher Anlage bestand aus Ställen, Reitbahnen und nur wenigen Wohnhäusern für Verwalter und Arbeitskräfte des Gutshofes. 1840 lebten hier nur sechs „Seelen“, aber 1859 wurden schon 43 Bewohner gezählt. Unter ihnen auch eine Waldarbeiterfamilie der Unterförsterei (U.F.). Etwa 150 Pferde waren regelmäßig in drei Ställen untergebracht.
1918 war der Erste Weltkrieg zu Ende und der Monarchie folgte eine Republik, die einschneidende Veränderungen mit sich brachte. So wurden gemäß Versailler Vertrag militärische Einrichtungen aufgelöst, darunter auch das Königliche Remontedepot Bärenklau mit seinen Vorwerken.
Für diese wie auch die übrigen nun staatlichen Flächen war mit dem Reichssiedlungsgesetz vom 11. August 1919 eine neue Verwendung vorgesehen. Hier in Brandenburg sollte vor allem die aus zuvor deutschen und nun zu Polen gehörenden Gebieten vertriebene bäuerliche Bevölkerung eine neue Heimat finden. Geboten wurde nicht nur Wohnraum, sondern auch die Möglichkeit, sich eine landwirtschaftliche Existenz aufzubauen. Ziel war eine dichtere Besiedlung der östlichen Gebiete, und um dies zu erreichen, wurden Gesellschaften nach den Vorgaben des Reichssiedlungsgesetzes gegründet.
Für das 450 Hektar große Staatsgut, ehemals Vorwerk Leegebruch, sollte die Genossenschaft „Empor“ die Besiedelung vornehmen, sie scheiterte jedoch und 1921 übernahm die Siedlungsgesellschaft „Eigene Scholle“ diese Aufgabe. Zu dem Zeitpunkt lebten hier rund 100 Menschen in 15 Gebäuden des ehemaligen Gutshofes mit den angrenzenden Häusern. Dazu gehörte auch die von 20 Schülerinnen und Schülern besuchte Dorfschule.
Zügig wurden die Flächen in größere und kleinere Landwirtschaften aufgeteilt. Schon für August 1921 ist die Übergabe der ersten vier Höfe vermerkt. Nach und nach erfolgte der Verkauf an weitere Bewerber. Die ehemaligen großen Gutsscheunen und viele Ställe wurden zu Wohnungen um- und ausgebaut, daneben entstanden neue Häuser. Die Zahl der Einwohner stieg auf rund 200, nachdem 1923 auch die letzten der 22 neuen Siedlerstellen mit unterschiedlich großen landwirtschaftlich zu nutzenden Flächen übergeben worden
waren. Leegebruch war zu der Zeit übrigens immer noch ein Gutsteil vom Gutsbezirk Bärenklau. Aufgelöst war bisher nur das Remontedepot.
Wo noch fünf Jahre zuvor Pferde den Alltag bestimmt hatten, zeigte sich die Umgebung der Dorfaue 1923 schon von den ersten Neu-Siedlern geprägt. So hat es der eingangs zitierte Max Rehberg als Augenzeuge dieser noch in den Anfängen befindlichen Ortswerdung niedergeschrieben.
Ulrike Unger
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