Leegebrucher Hauszeichen
Für Besucher und Bewohner gleichermaßen kann ein ausgedehnter Spaziergang durch die Gemeinde Leegebruch historisch gesehen so unheimlich interessant sein. Geht man durch die teilweise schmalen Straßen, bewundert die gepflegten Gärten und betrachtet die im Stil der 30er Jahre errichteten Häuser, so bemerkt man an einigen Wohnhäusern fest mit dem Außenputz verbundene Hauszeichen. Diese jeweils etwa 30 bis 40 cm großen Unikate sind kunst- und bauhistorisch gesehen ein unwiederbringliches Wahrzeichen für den Ort Leegebruch.
Unterschiedliche Motive – Pflanzen, Tiere, Tierkreiszeichen und handwerkliche Gegenstände – schmückten die ab 1937 neu errichteten Häuser der Heinkel-Werkssiedlung Leegebruch, zeigten den heimatlichen Weg auf, kündigten den stolzen Besitz an und verschafften, wie der Volksmund es überlieferte, so manchem kleinen Zecher eine zielsichere Orientierung. Von bemerkenswerter Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass in der gesamten Werkssiedlung Leegebruch ausschließlich Hauszeichen zur Anwendung/Verwendung gelangten, die frei von politischen und militärischen Motiven geschaffen wurden. In einer Zeit der politischen Gleichschaltung und der Ausrichtung auf „nationalsozialistische Tugenden“ ist dies, historisch betrachtet, ein sehr bedeutsames Alleinstellungsmerkmal.
Als Urheber der Entwürfe dieser markanten und einmaligen Hauszeichen, die im Auftrag des Oranienburger Heinkel-Flugzeugwerkes in der Marwitzer Werkstatt von Hedwig Bollhagen gefertigt wurden, zeichneten Hilde Broer, Christa von Lewinski und Gretel Schulte-Hostedde verantwortlich. Alle drei waren Schülerinnen beziehungsweise Meisterschülerinnen von Professor Ludwig Gies, der an der Kunsthochschule in Berlin lehrte. Sie benutzten für die Fertigung der Hauszeichen ausschließlich „Niederahrer Ton“ aus dem Westerwald und prägten/verfeinerten durch die vertieften Schnittkanten – „Gräben“ – die künstlerische Stilrichtung ihres Lehrmeisters.
Mit dem Stand 1. Januar 2013 wurden 73 unterschiedliche Motive aufgenommen und katalogisiert. Der Anteil, den jede Künstlerin am Gesamtentwurf beitrug, war unterschiedlich groß und im Detail nicht für jede einelne Person nachweisbar. Hilde Broer hatte nachweislich den größten künstlerischen Beitrag geleistet.
Erstaunlich viele dieser Hauszeichen sind auch heute noch zu bewundern und zeugen von einer soliden Fertigungskunst. Über 198 Exemplare hat der Geschichtsverein der Gemeinde Leegebruch ermittelt, den Grundmotiven zugeordnet und bezüglich ihrer Existenz straßenweise dokumentiert. In der Summe existieren noch etwa 23 Prozent der ursprünglich an den Häuserfassaden angebrachten Hauszeichen. Einige wenige Hauszeichen haben sich über die Jahre hinweg auch an andere Häuser des Ortes „verirrt“. Sammler und geschichtsinteressierte Bürger des Ortes haben sich Ihrer angenommen. Im Dorf Beetz, nahe der benachbarten Stadt Kremmen, ist das einzig nachweisbare auswärtige Hauszeichen – eine Schnecke – nachweisbar.
Die zusammenfassende Darstellung (im Heft 11 der historischen Blätter) der in der ehemaligen Werkssiedlung des Heinkel-Flugzeugwerkes in Leegebruch vorhandenen Hauszeichen vermittelt ein vielfältiges Spektrum von Motiven sowie von Ausführungs-/Bearbeitungsformen. Sie reicht von den Urformen in Terracotta bis zu bemalten Motiven mit unterschiedlichem Farbbesatz.
Dr. Norbert Rohde
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Eine ausführliche Darstellung über die Leegebrucher Hauszeichen finden Sie in unserem Heft 11 der Leegebrucher historischen Blätter, welches Sie in unserem Shop bestellen können.
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