Bis zu 80 Schüler in einer Klasse
Anfänge der Gutenberg-Hauptschule vor mehr als 350 Jahren /Die älteste Schule der Stadt Lengerich ist die Stadtschule, heute „Gutenberg-Hauptschule“.
Zwei historische Ereignisse waren Voraussetzung für die Gründung dieser Schule: zum einen die Einführung der Reformation in Lengerich um 1530 und damit die Verbindung von Frömmigkeit und Bildung (Christentum und Humanismus). Zum zweiten die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges 1648, dessen Friede am 11. 7. 1645 in Lengerich mit dem „Lengericher Conclusum“ vorbereitet wurde.
So ist in Lengericher Urkunden nachzuweisen, dass es um 1650/1659 in Lengerich (noch ein „Flecken“) bereits zwei Schulen gibt: eine Lateinschule, gegründet von den Herren Diepenbroick von Haus Marck, und eine Elementarschule. Der Lengericher Ackerbürger Diederich Hildebrandt Schulz, wohnhaft im „Hause Beccard“ an der Bergstraße, wird als Lehrer, Küster, Schreiber und Geldverleiher geführt. Das Haus Beccard ist heute das „Heimathaus“ des Heimatvereins Lengerich.
Die Schule hat ihren ersten Standort im 2. Stock des Hauses des Tischlers Hiebeler, nahe der Kirche. Man muss sich die Schule mit nur einem Klassenraum vorstellen, in dem alle Schüler ohne Differenzierung in Bibelversen, Liedern aus dem Gesangbuch und Merksprüchen unterwiesen wurden. Es wurde Schule „gehalten“.
1707 gelangt die Grafschaft Tecklenburg und damit Lengerich zu Preußen. Folglich gelangt das Schulwesen unter das Reglement des „Allgemeinen Preußischen Landrechts“. Die Schulpflicht wird eingeführt und mit Ankündigung von Strafzahlung auch durchgesetzt. Mit den preußischen Reformen 1807–1814 bekommt auch die Elementarschule eine größere Bedeutung. Da die Schülerzahl angewachsen ist, wird 1820 ein neues Schulgebäude errichtet, in dem drei Lehrer 300 Schüler in drei Klassen unterrichten – ein Fortschritt! Die Schulchronik wird jetzt fortlaufend geführt. Dennoch: in dem Nachruf zum Tod des bemerkenswerten Lehrers Hermann Wilhelm Beccard (1808–1875) heißt es: „Wer 40 Jahre als Lehrer gearbeitet hat, hat ein Martyrium durchgemacht.“
Die evangelische Volksschule wird der schulische Mittelpunkt Lengerichs, da auch die Schüler aus drei Bauerschaften dazu kommen (aus Intrup, Niederlengerich und Aldrup). Diese Zeit ist geprägt von vielen Lehrerwechseln, so dass jetzt auch Frauen als Lehrerin eingestellt werden.
Mit der Gründung des Kaiserreichs (1871) und der industriellen Entwicklung in Lengerich – Bau der Eisenbahn, Entstehung von Kalkwerken und anderen Industrien – wächst auch die Bevölkerung und damit die Schülerzahl. Die Ansprüche an die Volksschule steigen mit verbindlichen Regeln und Inhalten. Die Klassenstärke soll 80 nicht mehr übersteigen. Das Schulzimmer soll so groß sein, dass pro Kind 0,6 Quadratmeter zur Verfügung stehen, es soll geheizt und Schultafel, Kreide, Schwamm, ein Katheder und ein Schrank vorhanden sein. Deshalb wird 1893 ein neues Schulgebäude an der Bergstraße eingeweiht, der nunmehr dritte Standort. Für die Bauerschaft Intrup wird zur Entlastung 1905 ebenfalls eine neue Schule gebaut, so dass 1907 in der Stadtschule 420 Schüler, d. h. ca. 60 Schüler in jetzt sieben Klassen, unterrichtet werden können.
Ein besonderes Ereignis in diesem Jahr 1907 ist der Besuch des Kaisers Wilhelm II. zu der Gedenkfeier „200 Jahre Tecklenburger Land zu Preußen“ im Kreis Tecklenburg und auch in Lengerich.
Der Erste Weltkrieg wird laut Chronik zu Beginn begeistert gefeiert, doch ab dem Jahr 1916 nehmen die Berichte über Sammlungen der Schüler von Kriegsanleihen und Material aller Art den breitesten Raum ein. Es wird außerdem die Grippe-Epidemie 1918 erwähnt. Die Schülerzahl ist von wegen der Kriegsjahre von 420 auf 219 gesunken, doch bereits 1933 steigt sie wieder auf 306 an.
In der NS-Zeit 1933–1945 wird aus der „Evangelischen Volksschule“ die „Deutsche Schule“. Bald werden die Grundsätze der nationalsozialistischen Ideologie in der Schule umgesetzt und ein regimefreundliches Schulwesen gestaltet. In den Kriegsjahren 1939–45 ist die Stadtschule wieder das Zentrum der Materialsammlungen für die NS-Wohlfahrt. Doch eine englische Fliegerbombe richtet 1941 beträchtlichen Schaden am Schulgebäude an und in den letzten Jahren wird das Gebäude für militärische Zwecke und als Lazarett benutzt, so dass der Unterricht verlegt wurde oder gar ausfiel.
1945 nach dem Neuanfang bekommt die Schule nach Abstimmung in der Elternschaft wieder ihre alte Bestimmung „Evangelische Stadtschule Lengerich“ zurück. Sie wird jetzt das Zentrum für die Aufnahme der Flüchtlingskinder, 1951 besuchen 572 Schüler und Schülerinnen die Schule. Nach intensivem Bemühen des Rektors Damberg wird 1956 der Neubau als das „schönste und modernste Schulbauwerk der Stadt“ am Kirchpatt bezogen. Das Grundstück für diesen vierten Standort der Schule hatte die evangelische Kirche zur Verfügung gestellt.
Durch die Auflösung der Bauerschaftschulen 1965/66 wird die Stadtschule Mittelpunktschule und 1967 in „Hauptschule Stadt“ umbenannt. Sie wird nun als Schulversuch mit weiterführender Bildung geführt – eine Vollzeitschule mit zehn Klassen, an der man den Realschulabschluss erreichen kann. Es wird praxisnaher Unterricht erteilt und es entsteht eine Ganztagsschule mit einem qualifizierten umfangreichen pädagogischen Konzept.
Als die Schülerzahlen 1994/95 zurückgehen (es gibt in Lengerich jetzt ein Gymnasium und zwei Realschulen, die sehr gut besucht werden), wird die Hauptschule Stadt mit der Hauptschule Hohne (auch in Lengerich) zusammengelegt, und sie bekommen das jetzige Schulgebäude an der Margarethenstraße. Dieses wird ausgebaut und mit einem neuen Anbau auch entsprechend den Anforderungen bereitgestellt. Es ist der mittlerweile fünfte Standort. Mit der Namensgebung 1995 heißt sie jetzt „Gutenberg-Schule“ – Hauptschule in Ganztagsform.
Marlies Leifheit
(AK Stadtgeschichte im Heimatverein Lengerich)
(Quellen: Chronik der Stadtschule I, Chronik der Hauptschule II, Archiv der Stadt Lengerich)